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Sommercamp 2018 – auf der Titelseite der Kitzinger Zeitung!

Bewegender Ferienstart

Ohne Handy und Laptop, dafür mit Gott, Kompass und Axt: "Royal Rangers" aus ganz Franken starten mit einem realen Abenteuer in die Ferien. Fast wie früher.

Wo sonst die fürstlichen Pferde grasen, steht nun ein Dorf aus Jurten und Kothen. So heißen die großen und die kleineren Zelte der christlichen Pfadfinder. Im Zeltdorf gibt es Plätze zum Chillen und zum Grillen. Es gibt auch eine Bühne, einen großen Lagerfeuerplatz und lange Bretter-Tische. Alles selbst gebaut, versteht sich. Das Hauptmaterial ist Holz. Für dessen Nachschub und vieles andere Organisatorische ist Daniel Spengler verantwortlich. Der Camp-Wart hat seinen halben Jahresurlaub genommen, um sich vor Ort um den reibungslosen Ablauf des Lagerlebens zu kümmern. Was treibt den 41-Jährigen an, bei sengender Hitze Probleme zu lösen, die er ohne die „Royal Rangers“ gar nicht hätte?

Daniel grinst, überlegt und zieht dabei seinen Hut tief in die Stirn. Wie alle Erwachsenen hier im unterfränkischen Weindorf Castell hat der dreifache Familienvater bei gut 35 Grad einen „heißen“ Job – immerhin müssen 275 Kinder und Jugendliche ab neun Jahren betreut werden. „Es macht wirklich Spaß“, sagt der Schweinfurter schließlich. „Und der Einsatz rentiert sich immer. Ich denke nicht nur an ‚meine‘ Schweinfurter Royal Rangers, sondern an alle Stämme aus Franken, die hier beim Sommercamp zusammengekommen sind. Es entsteht einfach eine gute Gemeinschaft.“
Letztere bilden Royal Rangers aus Kulmbach, Kronach, Forchheim, Einberg bei Coburg, Bayreuth, Hof, Sonnefeld, Lichtenfels, Schweinfurt, Kitzingen und Würzburg. „Hier entstehen Freundschaften, die teilweise ein Leben lang halten“, sagt Daniel Spengler. Er weiß, wovon er spricht. Seit Jahrzehnten ist er bei den Pfadfindern engagiert und hat, zumindest im Sommer, kaum freie Wochenenden. Das macht ihm nichts aus, denn sowohl seine Frau als auch seine drei Kinder und viele Freunde der Familie sind ebenfalls mit Herz und Seele Ranger. „Wir sind alle hier. Das ist für uns eine schöne, gemeinsame Zeit.“

Über ihre Familie ist auch Camp-Leiterin Anna Plechschmidt, Chemielaborantin aus Kulmbach, zu den Rangers gekommen. „Meine Eltern haben mich damals mitgenommen und ich habe hier viele Freunde gefunden. Deshalb engagiere ich mich jetzt auch für die nächste Generation.“ Annabelle Dietz hat sich die Rangers dagegen selbst „ausgeguckt“ – im wahrsten Sinn des Wortes. „Als ich ein Kind war, hatten die Rangers mal einen Stand beim Kitzinger Stadtfest“, erzählt die 24-Jährige. „Da habe ich sie in ihrer Kluft am Feuer gesehen und mir war klar: Ich will auch so ein Outfit haben, mit Hemd und Halstuch!“ Heute ist die Studentin mit dem Lippenpiercing und dem großen Arm-Tattoo die Pastorin des Camps und hält zum Beispiel Andachten. Gern erinnert sie sich an ihre erste Zeit als so genannte Kundschafterin bei den Rangern – und daran, wie sie als Elfjährige ihre Aufnahmeprüfung machte: „Damals war der Klaus noch Stammleiter.“

„Der Klaus“ ist Klaus Tietz, der die Kitzinger Royal Rangers mitbegründet hat. Im Millenniumsjahr 2000 war das. „Ein Team der Freien Christengemeinde Kitzingen hat sich damals einen Traum verwirklicht.“ Der 72-Jährige mit dem weißen Rauschebart verpasst noch immer kaum ein großes Camp – zu sehr schätzt er die Atmosphäre beim gemeinsamen Singen und Beten. „Da kann man schon Gänsehaut kriegen.“ Dass der christliche Glaube fester Bestandteil des Lagerlebens ist, heißt jedoch nicht, dass Anders- oder Nichtgläubige ausgeschlossen sind. „Jeder, der mag, kann uns gern besuchen.“
Nicht erwünscht sind dagegen elektronisches Spielzeug, Handys und Computer. „Die Kids und Teenies müssen ihre Handys daheim lassen. Und wir Lagerleiter nutzen sie nur, wenn wir sie unbedingt brauchen“, erklärt Daniel. Annabelle ergänzt: „Mein Handy liegt im Zelt – und ich genieße die Freiheit!“

Seltsamerweise äußern sich die Teenies ganz ähnlich. „Ich finde das gut, dass man mal nicht ständig aufs Handy schaut, sondern sich normal unterhält“, meint die 13-jährige Franziska aus Schweinfurt. Die ein Jahr ältere Sarah sagt: „Man ist der Natur dann viel näher und schaltet echt mal ab.“ Statt per Handy zu zocken, erzähle man einander abends vorm Schlafengehen Geschichten. „Man fühlt sich hier total entspannt.“ Wegen des Handy-Verbots daheim zu bleiben, fiele den erfahrenen Teenie-Pfadfindern nicht ein.

Und die Dienste, die jeder tun muss? Feuer-, Spül-, Wasserhol- und sogar Toilettenreinigungs-Dienst? Das gehöre halt dazu, meint der 14-jährige Tom schulterzuckend, „genauso wie die Prüfungen mit Werkzeugen wie dem Beil oder dem Messer“. Tom findet es nicht schlecht, dass er bei den Pfadfindern selbstständig arbeiten und zeigen kann, was er gelernt hat. Auf der Wiese des Fürsten Ferdinand zu Castell-Castell – der Fürst stellt auch Strom, Wasser und den Schlosspark nebst Reithalle zur Verfügung – hat er ein Schaukelsofa gebaut, auf dem vier Erwachsene gemeinsam Platz finden. Hammer und Nägel hat er selbstverständlich nicht benutzt, sondern er hat die Holzstämme und Bretter fachmännisch vertaut und verschnürt – so wie man das bei den Rangern eben lernt.

Sein Vater Daniel und seine Kolleginnen des Leitungsteams schaukeln gerne eine Runde. Daniel und seine Familie werden nach der Camp-Woche nicht gleich heimfahren, sondern eine weitere Woche in Castell bleiben. Denn an das ober- und unterfränkische Camp schließt sich ein gesamtbayerisches Ranger-Lager an. Als Regionalleiter wird Daniel daran teilnehmen und bestimmt wieder ein Auge darauf haben, dass auf der fürstlichen Wiese alles reibungslos läuft. „Ehrensache, dass wir das Areal genauso zurückgeben wie wir es übernommen haben.“ Vom Zeltdorf wird keine Spur zurückbleiben. Die fürstlichen Pferde werden wieder friedlich grasen – und die Royal Rangers sehen daheim neuen Abenteuern entgegen.

INFO

Was macht ein Royal Ranger?

Stamm- und Teamtreff: Royal Rangers sind christliche Pfadfinder. Sie treffen sich in der Regel wöchentlich in ihrem Stammposten. Singen und Spielen gehören genauso zum Programm wie das Erlernen von Pfadfindertechniken. Dazu zählen Knoten, Feuermachen, der Umgang mit Werkzeug, Erste Hilfe aber auch das Erlernen sozialer Kompetenzen und das Auseinandersetzen mit dem christlichen Glauben. Wichtigstes Element der Royal-Rangers-Arbeit ist der Teamtreff. In kleinen Teams aus sechs bis zehn Teilnehmern gleichen Alters und Geschlechts werden die Kinder entsprechend ihrer Fähigkeiten gefördert.

Mitglieder: Die Royal Rangers haben in Deutschland gut 21.000 Mitglieder in über 400 aktiven Stämmen (Ortsgruppen).

Camp: Das jährliche Pfingst-, Sommer- oder Wintercamp ist meist auch das Highlight des Ranger-Jahres. Während eines Camps haben die Teams Zeit, sich eingehend mit den Pfadfindertechniken auseinanderzusetzen. Hier findet das Gelernte Anwendung. Im eigenen Teambereich (der Platz, auf dem jedes Team sein Zuhause hat), werden neben dem Schlafzelt auch ein Feuertisch und ein Essplatz gebaut. Diese Bauten bestehen aus Holz und werden durch stabile Bünde – niemals durch Nägel – zusammengehalten.

Haik oder Hajk: Ein Haik/ Hajk ist ein aus dem Nordischen stammender Begriff, der in vielen Pfadfinderbewegungen und auch ganz allgemein Verwendung findet. Generell verbinden Royal Rangers damit, unterwegs zu sein: zu Fuß, mit dem Kanu oder Fahrrad. Draußen in der Natur sind Royal Rangers zu Hause, erleben Abenteuer und bestehen Herausforderungen. Bei einem Haik packen die Rangers alles Nötige in den Rucksack und ziehen los.

Goldene Regel: „Alles, was ihr für euch von den Menschen erwartet, das tut ihnen auch!“ (Matthäus 7,12): Mit diesem Leitspruch identifizieren sich die Royal Rangers gerne. Er ist die Grundlage für respektvollen Umgang mit den Mitmenschen.